Wiener Symphoniker
23. Januar 2026

Wiener Symphoniker

18.45 Uhr Konzerteinführung im Saal Bodensee
19.30 Uhr Großer Saal

Das gesamte Jahresprogramm 2025/2026 können Sie hier digital ansehen.

Richard Wagner (1813–1883)
Vorspiel und „Isoldes Liebestod“ aus Tristan und Isolde

Sergej Prokofjew (1891–1953)
Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 g-Moll, op. 63
1. Allegro moderato
2. Andante assai – Allegretto
3. Finale: Allegro ben marcato

Edward Elgar (1857–1934)
Enigma-Variationen, op. 36

Richard Wagner
Vorspiel und „Isoldes Liebestod“ aus
„Tristan und Isolde“

Ein aufspringendes Sextintervall, das wieder zurücksinkt und in einen geheimnisvollen, vieldeutigen Akkord mündet – das ist der Beginn von „Tristan und Isolde“, der berühmte „Tristanakkord“, der sich, immer wieder verwandelt, in einer einzigen großen Geste der Sehnsucht durch die „Handlung in drei Aufzügen“ zieht. Tristan und Isolde sind durch ihre Vorgeschichte schicksalhaft aneinander gebunden; Richard Wagner schuf für die beiden Liebenden seine sicherlich sinnlichste Musik. Auch in „Isoldes Liebestod“, dem flammenden Schlussgesang, den Isolde an der Seite des verstorbenen Tristan anstimmt, bietet Wagner noch einmal alles an Orchesterfülle und Farbenreichtum auf, was Streicher, Holzbläser und Blechbläser vermögen. Der Text ist fast nebensächlich, meist ist er eh nicht zu verstehen, doch die Musik spricht von Verzückung, Rausch, Ekstase, Außersich-Sein, von endgültiger Vereinigung im Tod.

Wie Tristan hatte sich auch Wagner verliebt – in Mathilde Wesendonck, die geistreiche und anmutige Gattin eines wohlhabenden Zürcher Kaufmanns. Wie in der Oper ist auch im Leben klar, dass die Verbindung nicht halten wird. Wagner schreibt Textbuch und Partitur wie in einem Rausch nieder; die Trennung von seiner Muse ist dann zum Glück weniger tragisch als in seinem Musikdrama, das der Komponist schlicht als „Handlung in drei Aufzügen“ bezeichnet. Es ist ein auskomponiertes Liebessehnen, das mit einer Frage anhebt und in Tod und Verklärung endet.

Sergej Prokofjew
Konzert für Violine und Orchester
Nr. 2, g-Moll op. 63

Wie seine Kollegen und Landsleute Rachmaninow, Skrjabin und Schostakowitsch war auch Sergej Prokofjew ein hervorragender Pianist, der seine Werke auf ausgedehnten Konzertreisen in Europa präsentierte. Ungefähr ein Drittel seines Gesamtwerks ist dem Klavier gewidmet. Den ersten Unterricht erhielt er bei seiner Mutter, später studierte er an den Konservatorien in Moskau und St. Petersburg, wo Rimski-Korsakow sein Kompositionslehrer war. Zunächst gab sich Prokofjew als „junger Wilder“: Er verstörte viele – Publikum wie Kommilitonen – mit seinen hämmernden Rhythmen und schroffen Klängen, interessierte sich mehr für die neuen Strömungen der westlichen Musik, wie sie etwa Strawinsky und Debussy vermittelten. Lange Jahre ab 1918 verbrachte Prokofjew als Pianist im Ausland, lernte in Paris den Choreografen Serge Diaghilew kennen, für dessen Compagnie Ballets russes er mehrere Ballette schuf.

1934 kehrte er nach Russland zurück und wandte sich stilistisch eher einem heiteren Neoklassizismus zu, wie ihn das musikalische Märchen Peter und der Wolf (1936) kennzeichnet. Wie Schostakowitsch musste auch er sich den Vorstellungen der sowjetischen Kulturbehörden beugen, die moderne Töne ablehnten, ihm aber doch einen gewissen Spielraum ließen. So schuf er Filmmusik für den russischen Regisseur Sergej Eisenstein (Alexander Newskij, 1938, und Iwan der Schreckliche, 1942/44), das Ballett Romeo und Julia (1935/36) nach Shakespeare, weitere Sinfonien und die Oper Krieg und Frieden (1944) nach dem Roman von Tolstoi.

Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 g-Moll op. 63
Das zweite Violinkonzert stammt aus der Mitte der 1930er Jahre, als sich Prokofjew entschlossen hatte, in seine Heimat zurückzukehren. Er übernahm eine Klasse am Moskauer Konservatorium, wirkte als Juror in einem Wettbewerb für Märsche und Massenlieder. 1937, zum zwanzigsten Jahrestag der russischen Revolution, war ein ganzes Konzert seinem Schaffen gewidmet. Auch das zweite Violinkonzert erklang zu diesem Anlass – übrigens zusammen mit einer repräsentativen Festkantate auf Texte von Lenin, Marx, Engels und Stalin, mit der sich Prokofjew zumindest vorläufig die Gunst der Mächtigen sicherte.

Das zweite Violinkonzert war zwei Jahre zuvor entstanden, noch im Ausland – doch schon in der Einleitung der Solovioline mit einem deutlich russischen Tonfall. Eine Gruppe von Verehrern des französischen Geigers Robert Soetens, der bereits 1932 die Sonate für zwei Violinen zum ersten Mal interpretiert hatte, gab Prokofjew den Auftrag. Soetens, der bis ins hohe Alter konzertierte und das Konzert weltweit bekannt machte, bekam für ein Jahr das alleinige Aufführungsrecht und musizierte es auch unter der Leitung des Komponisten. Prokofjew schrieb zur Entstehung:

„Es entstand in den verschiedensten Ländern, wodurch es zum Spiegelbild meines nomadenhaften Konzertierens wurde – das Hauptthema des ersten Satzes in Paris, das erste Thema des zweiten Satzes in Woronesch, die Instrumentierung wurde in Baku abgeschlossen, und zum ersten Mal gespielt wurde es im Dezember 1935 in Madrid. Damit ist eine interessante Konzertreise mit Soetens durch Spanien, Portugal, Marokko, Algier und Tunis verknüpft.“

Mit der dreisätzigen Anlage und einem transparenten Orchestersatz besinnt sich Prokofjew auf klassische Formen. Das Konzert setzt anspruchsvolle Spieltechniken für den Solisten ein, ist aber nicht außergewöhnlich virtuos. Das Eröffnungsthema wird vom Orchester aufgenommen, kontrapunktisch weitergeführt, es wandert durch die Stimmen und verwandelt sich durch die Klangfarben der Instrumente. In weiten Bögen schwebend breitet sich die Solovioline im langsamen Satz über der Pizzicato-Begleitung der Streicher aus, entwickelt sich im Mittelteil zu intensiver Bewegung und kehrt zurück zum verinnerlichten Tonfall des ersten Teils. Herzhaft wirkt die Tongebung im Finalsatz – mit Springbogen und jenen gezackten Melodien, die uns auch im kurz danach entstandenen Ballett Romeo und Julia begegnen.

Detlef Gojowy, der Spezialist für russische Musik, schreibt zum Stil des Konzerts: „Elemente des herkömmlichen, romantischen Konzertierens sind – wie in der Dramaturgie Bertolt Brechts – in ihrem Materialwert betrachtet, in neuen Sichtweisen gebrochen und ‚objektiviert‘, jedenfalls mit neuen Akzenten ausgestattet.“

Edward Elgar
Enigma-Variationen op. 36

Gut zweihundert Jahre liegen zwischen der Zeit des englischen Barockmeisters Henry Purcell und der des Romantikers Edward Elgar, der als erster britischer Komponist wieder Weltruhm erlangte. Sein Vater hatte ein Musikgeschäft in Worcester, und obwohl Edward Elgar sich ein Musikstudium nie leisten konnte und als Komponist Autodidakt blieb, war er doch ständig von Musik umgeben. Er spielte Geige in den örtlichen Orchestern und komponierte Musik für allerlei Gelegenheiten. Berühmt geworden sind seine Enigma-Variationen aus dem Jahr 1899, in denen er bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten der englischen Gesellschaft und aus seinem Freundeskreis porträtierte. Zwei Sinfonien, Oratorien, ein Violinkonzert, das bekannte Cellokonzert und die symphonische Dichtung Falstaff hat Elgar hinterlassen, dazu die bei Blasorchestern sehr beliebten, effektvollen Märsche Pomp and Circumstance. Als seine Gattin im Jahr 1920 starb, ließ seine Schaffenskraft nach; bis zu seinem Tod 14 Jahre später komponierte Elgar fast nichts mehr.

Auch bei der Entstehung der Enigma-Variationen vertraute Elgar auf das Urteil seiner Frau: Eine Geschichte erzählt, dass der Komponist im Spätherbst des Jahres 1898 am Klavier saß und improvisierte. „Ganz in Gedanken versunken ist Elgar; seine Finger suchen sich wie von selbst ihren Weg auf der Tastatur. Plötzlich geht die Wohnzimmertür auf. ‚Edward, was hast du da gerade gespielt?‘ Im Türrahmen steht Elgars Frau Alice. ‚Ich habe nur ein bisschen vor mich hin improvisiert.‘ – ‚Ich meine diese Melodie gerade, die hat mir gefallen.‘ Alice geht durchs Zimmer und stellt sich neben ihren Mann ans Klavier. ‚Kannst du sie noch mal wiederholen?‘ Elgar überlegt einen Moment, dann sucht er die Notenfolgen und Akkorde zusammen. ‚Das klingt wunderschön. Was ist das, Edward?‘ – ‚Nichts bisher. Aber es kann noch etwas daraus werden.‘“

Es „wurde“ ein Variationswerk, in dem der Komponist seinen Hörern mehrere Rätsel aufgab – Enigma, das griechische Wort für „Rätsel“, wurde erst später zum Titel. Ein „verborgenes Geheimnis“, das man nicht höre, durchziehe das Werk: Musikwissenschaftler rätselten lange und bis heute, was sich dahin-
ter wohl verberge, während Elgars Freund August Jäger (der selbst in Nimrod porträtiert ist) mutmaßte, es handle sich um eine spezifische Ausprägung von Elgars Humor, der seine Mitwelt gern ein wenig aufs Glatteis führte. Die anderen Rätsel, nämlich die Initialen seiner Freunde als Satzüberschriften, konnten gelöst und den Personen der britischen Gesellschaft zugewiesen werden:

Variation 1: C.A.E. (Elgars Frau)
Variation 2: H.D.S.P. (Hew David Steuart-Powell, ein Amateurpianist)
Variation 3: R.B.T. (Richard Baxter Townshend, Verfasser der „Tenderfoot“-Bücher)
Variation 4: W.M.B. (W. M. Baker, ein Gutsbesitzer)
Variation 5: R.P.A. (Richard P. Arnold, Sohn von Matthew Arnold)
Variation 6: Ysobel (Isabell Fitton, Amateur-Geigerin)
Variation 7: Troyte (Troyte Griffith, Architekt aus Malvern)
Variation 8: W.N. (Winifred Norbury, Musikliebhaberin)
Variation 9: Nimrod (A.J. Jaeger, Verlegerfreund von Elgar)
Variation 10: Intermezzo, Dorabella (Dora Penny)
Variation 11: G.R.S. (George Robertson, Organist in Hereford)
Variation 12: B.G.N. (Basil G. Nevinson, Amateur-Cellist)
Variation 13: ??? (Lady Mary Lygon)
Variation 14: Finale E.D.U. (Elgars Kosename)

Dabei schafft Elgar auf der Grundlage eines ruhig-melancholischen, emphatisch sich aufschwingenden Themas, das zwischen Dur und Moll changiert und das, so der Komponist, die „Einsamkeit des schöpferischen Künstlers“ zeigt, eine Reihe von Charakterstücken, die auf oft kleinstem Raum wohl etwas vom Geist der Porträtierten widerspiegeln. Die erste Variation, der Gattin Alice gewidmet, löst das Thema ganz traditionell auf; die schlichte Melodie erscheint reicher instrumentiert in einem ersten Höhepunkt des gesamten Orchesters. Weiter treten ein aufgeregt wuselnder Pianistenfreund, ein großspurig wirkender Mann, eine sanfte Bratschistin, ein Organist, ein Amateur-Cellist und schließlich Elgar selbst in der großen Zusammenfassung auf die imaginäre Bühne. Das emotionale Zentrum, ein sehnsüchtiges, groß aufblühendes Adagio, wird auch gerne außerhalb des Variationenwerks als Zugabe gespielt. Mit seinem Titel Nimrod spielt es auf den biblischen Helden und König an, der auch als „gewaltiger Jäger vor dem Herrn“ bezeichnet wird und somit für Elgars Freund, den Verleger August Jäger, steht. Mit der Uraufführung der Enigma-Variationen durch den deutschen Dirigenten Hans Richter am 19. Juni 1899 in London und des großen Oratoriums The Dream of Gerontius ein Jahr später hatte Edward Elgar seinen internationalen Durchbruch als Komponist. In seiner Orchestersprache ist er eng mit der deutschen Romantik von Brahms, Schumann oder Richard Strauss verbunden. Nach dem überwältigenden Erfolg der Uraufführung wurde das Werk von Dirigenten wie Gustav Mahler, Felix Weingartner oder Arturo Toscanini weiter in die Musikwelt getragen – bis heute hat sich nichts an der Beliebtheit der Enigma-Variationen geändert.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner