Valentin Silvestrov-Gala mit Hélène Grimaud
11. März 2026

Valentin Silvestrov-Gala mit Hélène Grimaud

18.45 Uhr Konzerteinführung im Saal Bodensee
20.00 Uhr Großer Saal

Das gesamte Jahresprogramm 2025/2026 können Sie hier digital ansehen.

Valentin Silvestrov (*1937)
Hymne

Arvo Pärt (*1935)
Fratres für Violine und Klavier
Spiegel im Spiegel für Violine und Klavier

Valentin Silvestrov
Weitere Werke

Valentin Silvestrov
Bagatellen I, II und III, op. 1 für Klavier solo (2005)
Allegretto
Moderato „Lontano“
Moderato

Valentin Silvestrov
Der Bote für Orchester und Klavier (1996)

Valentin Silvestrov
Two Dialogues with Postscript,
Fassung für Streicher
und Klavier (2002)
Wedding Waltz
Postlude
Morning Serenade

Valentin Silvestrov
Musik, ein Gesang der Welt

Eine Weltpremiere in Bregenz: In enger Zusammenarbeit mit der Pianistin Hélène Grimaud, die eine intensive persönliche Beziehung zu Valentin Silvestrov pflegt, entstand ein Konzertprogramm von außergewöhnlicher Tiefe. Grimauds künstlerisches Einfühlungsvermögen eröffnet einen sensiblen Raum für die fragile Schönheit dieser Musik – ein Abend, der der Stille nachlauscht und in seiner Einzigartigkeit nur hier zu erleben ist.

Die Hymne (2001) von Valentin Silvestrov ist ein nobler Lobgesang, getragen von einer klaren, tonal-harmonischen Textur – umgeben von einem besonderen Schweigen. Dieses Schweigen, so Silvestrov, sei das „Schweigen der neuen Musik“: kein bloßes Fehlen von Klang, sondern ein Innehalten der Zeit, ein Raum der Erinnerung. Es erinnert an John Cages 4’33“, doch bei Silvestrov wird es zur tragenden Struktur, in der Melodie und Stille untrennbar miteinander verwoben sind.
Diese Haltung verbindet ihn eng mit Arvo Pärt, seinem langjährigen Freund. Beide Komponisten haben sich in den 1970er-Jahren bewusst von der Avantgarde abgewandt, um eine Musik zu schreiben, die von Einfachheit, Stille und spiritueller Tiefe geprägt ist. Ihre Werke gleichen inneren Gebeten – reduziert, fragil, aber voller Ausdruckskraft. Als Hommage an diese künstlerische und persönliche Nähe erklingen im ersten Teil des Abends zwei Werke von Arvo Pärt:

Fratres (1977), ein archaisch wirkendes Ritual zwischen Bewegung und Ruhe, ist ein vielgestaltiges Werk, das aus einem einzigen geistigen Impuls heraus immer neu Gestalt annimmt. In der Fassung für Violine und Klavier treffen rhythmische Rituale auf klangliche Askese – ein Wechselspiel von statischen Klangflächen und flirrender Energie. Wie bei Silvestrov ist der Klang bei Pärt kein dramatischer Ausdruck, sondern ein Zustand des Hörens, der kontemplative Räume öffnet. Beide Komponisten schaffen Musik, die eher fragt als antwortet – und genau darin ihre Kraft entfaltet.

Spiegel im Spiegel (1978), ein schwebendes Zwiegespräch aus Melodie und Echo, zählt zu den berührendsten Werken Arvo Pärts. Kaum ein anderes Stück entfaltet mit so einfachen Mitteln eine so große emotionale Tiefe. Die ruhige Bewegung, das meditative Wechselspiel zwischen der klaren, sich wiederholenden Klavierbegleitung und der gesanglichen Violinmelodie, erzeugen eine Atmosphäre von innerer Ruhe und Offenheit. Der Titel verweist auf ein unendliches Sich-Reflektieren – eine Musik, die gleichsam in sich selbst schaut. Das Gleichgewicht zwischen Einfachheit und Tiefe macht dieses Werk zu einem klingenden Sinnbild für das, was auch Silvestrovs Musik auszeichnet.

Valentin Silvestrov
Bagatellen I, II und III, op. 1 für Klavier solo

Eine Bagatelle bezeichnet im landläufige Sinn eine „Kleinigkeit“. In der Musik hat sie eine darüber hinaus reichende Bedeutung. „Obwohl von miniaturhafter Kürze und äußerlich als ‚Nebensächlichkeit‘ abgestempelt, sprechen sie eine ungewöhnliche musikalische Sprache und thematisieren existenziell wichtige Fragen“, definiert Barbara Boisits im Österreichischen Musiklexikon die Gattung. Seit Ludwig van Beethoven einige seiner Charakterstücke als „Bagatelle“ bezeichnet hat, wurden zahlreiche Komponisten bis in die Gegenwart von dieser kleinen musikalischen Form mit großer innerer Aussagekraft inspiriert. Seit etwa 25 Jahren komponiert Valentin Silvestrov Bagatellen. Die Idee, eine Melodie auszuformen und eine Antwort auf augenblicklich aufblitzende Motive zu finden begeistert ihn. Er habe erkannt, dass Bagatellen musikalische Momente seien, schreibt der Komponist. „Sie sind ähnlich wie Gedichte, die wie zufällig entstanden sind.“

Hélène Grimaud erlebt SilvestrovsBagatellen „wie ein Spaziergang durch einen Wald, bei dem das Licht durch die Zweige scheint.“ Trotz der vermeintlichen Einfachheit sind die Bagatellen I, II und III äußerst diffizil ausgearbeitete Miniaturen. Jede Note ist in ihrer Lautstärkenuancierung und im Hinblick auf die ständig wechselnden Tempi genau definiert. Überdies sollen die Klavierwerke mit größter Zurückhaltung erklingen, der Lautstärkenpegel soll nie über das Piano hinausgehen. Die Bagatellen wirken leichtfüßig, lyrisch und kontemplativ. Klanglich sind sie in den oberen Tonlagen angesiedelt. Die Bagatelle I schrieb der Komponist in einer er weiterten Tonalität und erreichte damit besondere
harmonische Farben. Die Bagatelle II ist in einer Strophenform angelegt und erinnert mit der punktierten melodischen Linie an ein Volkslied. Einen tänzerischen Charakter, der durch den 3/8-Takt unterstrichen wird, hat Bagatelle III. Sie ist in einer variierten Strophenform angelegt. Kleine Beschleunigungen und Verzögerungen des Tempos und der Nachhall der Töne verleihen diesem Stück einen improvisatorischen Touch.

Valentin Silvestrov
„Der Bote“ für Streicher und Klavier (1996),
Two Dialogues with Postscript,
Fassung für Streicher und Klavier (2002)

Valentin Silvestrovs Werke Der Bote (1996) für Streicher und Klavier sowie die Two Dialogues with Postscript (1989/1995) in der Fassung für Streicher und Klavier stehen exemplarisch für sein spätes Schaffen, das durch dialogische Formen und das Wechselspiel zwischen Klangkörpern geprägt ist. Der Bote spiegelt verschiedene musikalische Stile der Vergangenheit wider, insbesondere Verweise auf Mozart, und entfaltet durch subtile Gesten, Akzentuierungen und ungewöhnliche motivische Kombinationen eine durchscheinende Klangwelt. Die Streicher setzen mit gedämpftem, silbern schimmerndem Klang ein, während der Klavierpart mit intensivem Pedaleinsatz eine ätherische Atmosphäre erzeugt, die wie ein Windrauschen beginnt und in Stille verklingt.

Die Two Dialogues with Postscript führen diese Verbindung zur Musikgeschichte fort: Der erste Abschnitt bezieht sich auf Schuberts Kupelwieser-Walzer, der zweite auf Wagners Klavierelegie. Silvestrov versteht diese „festgehaltenen Augenblicke“ als Versuche, in einen offenen Dialog mit der Vergangenheit zu treten und musikalische Geschichte fortzuschreiben. Beide Werke illustrieren Silvestrovs „metaphorischen Stil“, in dem Zeit als flexibler, mehrdimensionaler Raum gestaltet wird und Klangfarben eine zentrale expressive Rolle spielen.

Diese dialogischen und atmosphärischen Qualitäten setzen sich in den Miniaturen Wedding Waltz (1983), Postlude (1982) und Morning Serenade (1984) fort, die das Spannungsfeld von Erinnerung, Zeit und Klang erforschen. Der Wedding Waltz transformiert die traditionelle Dreiviertelform des Walzers in ein entrücktes, fast schwebendes Geschehen, das durch subtile Metrum- und Rhythmusverschiebungen eine zeitlose Aura erzeugt. Harmonisch dominieren unresolved Dissonanzen und Akkorde, die in Schwebezuständen verharren, wodurch eine „Zeitverlangsamung“ entsteht, wie Silvestrov sie selbst beschreibt.

Der Postlude nutzt eine reduzierte Textur mit gedehnten Tönen und sparsamen Intervallen, die einen offenen, durchlässigen Klangraum schaffen. Die Verschmelzung von Klangschichten und der bewusste Umgang mit Stille als klanglichem Element reflektieren Silvestrovs Konzept von Musik als existenziellem Resonanzraum. In der Morning Serenade verbinden sich traditionelle Serenadenmotive mit expressiver, zeitgenössischer Harmonik. Fließende Melodielinien und subtile tonale Verschiebungen erzeugen schwebende Harmonien, die Romantik, Minimalismus und Impressionismus vereinen. Hier manifestiert sich Silvestrovs Idee von Musik als „Gesang der Welt über sich selbst“, in der Vergangenheit und Gegenwart durchdringen.

Gemeinsam bieten diese fünf Werke einen tiefen Einblick in Silvestrovs kompositorisches Universum: Sein Umgang mit Zeit als nichtlinearer, mehrdimensionaler Raum, seine poetische Melodieführung sowie das raffiniert eingesetzte Spiel mit Klangfarben und Formen formen ein einzigartiges, meditativen Musikerlebnis.

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