Klangforum Wien und Richard Dünser
10. Februar 2024

Klangforum Wien und Richard Dünser

19.30 Uhr Großer Saal
Keine Konzerteinführung, Erläuterung zu den Werken während des Konzertes mit Richard Dünser und Bettina Barnay-Walser

Das gesamte Jahresprogramm 2023/2024 können Sie hier digital ansehen.

Alban Berg (1885 – 1935) / Richard Dünser (*1959)
Sonate, op. 1 für Kammerorchester
 
Anton Webern (1883 – 1945) / Richard Dünser (*1959)
Vier Stücke, op. 7 für Violine und Kammerorchester
 
Arnold Schönberg (1874 – 1951) / Richard Dünser (*1959)
Drei Stücke, op. 11 für Kammerorchester
 
Richard Dünser (*1959)
Entreacte für Kammerorchester
 
Arnold Schönberg (1874 – 1951) / Richard Dünser (*1959)
Das Buch der hängenden Gärten, op. 15 für Singstimme
und Kammerorchester

 

Das Meisterkonzert mit dem Klangforum Wien und Werkbearbeitungen von Richard Dünser ist ein außergewöhnliches Projekt mit Seltenheitswert. Heute erklingen Kompositionen aus der Zeit um die Jahrhundertwende ins 20. Jahrhundert, die an der Schwelle in eine kompositionsgeschichtlich bahnbrechende Zeit entstanden sind. Werke von Arnold Schönberg, Alban Berg und Anton Webern gelten als Marksteine der sogenannten Zweiten Wiener Schule. Nicht in ihrer Originalgestalt mit Klavier sind die Kompositionen heute zu hören, sondern in Bearbeitungen für Kammerorchester aus der Feder von Richard Dünser.  

Richard Dünser (*1959) ist in Bregenz aufgewachsen. Seit Jahren lebt er in der Steiermark, wo er an der Musikuniversität Graz eine Professur für Komposition und Musiktheorie innehat. Als Komponist wird Richard Dünser international viel beachtet und auch hierzulande feierte er große Erfolge. Unter anderem wurde die von ihm vervollständigte Schubertoper „Der Graf von Gleichen“ durch das Symphonieorchester Vorarlberg im Jahr 2003 im Festspielhaus Bregenz präsentiert. Für Furore sorgte auch die Kammeroper „Radek“, die 2006 bei den Bregenzer Festspielen uraufgeführt wurde. Mit zahlreichen Musiker:innen aus Vorarlberg ist Richard Dünser freundschaftlich verbunden.

Das von ihm für die Bregenzer Meisterkonzerte und in Kooperation mit dem Klangforum Wien konzipierte Konzertprogramm stellt zugleich auch ein CD-Projekt dar. Anlässlich des 150. Geburtstags von Arnold Schönberg sowie zum 65. Geburtstag von Richard Dünser wird das Album 2024 veröffentlicht. In der Zeit der Renaissance und des Barocks waren Bearbeitungen oder die Verwendung von Ideen und Themen anderer Musikschaffender selbstverständlich, weil es wenig bedeutete, wer der Komponist eines Werkes war. Im Laufe des 19. Jahrhunderts änderte sich zwar dieser Werkzugang, doch das Bearbeiten und Arrangieren von Kompositionen, nun mit Hinweis auf die Urheber, blieb erhalten. Beispielsweise bildeten Bearbeitungen für Komponisten wie Maurice Ravel, Anton Webern, Dmitri Schostakowitsch, Hans Zender oder Hans Werner Henze nicht unwesentliche Standbeine ihres künstlerischen Schaffens. In dieser Tradition steht auch Richard Dünser. Seine erste Bearbeitung datiert aus dem Jahr 1983 berichtet der Komponist, und war der f-Moll Fantasie von Franz Schubert gewidmet. Seither wurde der Katalog maßgeblich erweitert und zahlreiche Werke sind entstanden, die Richard Dünser als „kompositorische Neu- und Nachschöpfungen“ betrachtet, denn „die Liebe zum ursprünglichen Stück und zu seinem Komponisten verlangt, dass mit neuschöpferischer Kreativität zu Werke gegangen werden muss“.

Ihn faszinierten Meisterwerke von Komponisten, deren Musik ihm nahestehe, und in der Werkauswahl würde sich seine künstlerische Verwurzelung widerspiegeln, betont Richard Dünser. Wesentlich sei der komplett subjektive Zugang. Er bearbeite das Werk so, als ob es von ihm sei, und er mache Dinge, die ein Bearbeiter sich nicht erlauben würde. Als Beispiel führt Richard Dünser Schönbergs „Buch der hängenden Gärten“ an, wo der Beginn mit Gongs und Glocken sowie Harfe und Klavier instrumentiert ist, „wie es Schönberg nie gemacht hätte, wie es aber eine überzeugende Klanglichkeit des 21. Jahrhunderts ergibt.“ Im Übrigen müsse eine geglückte Bearbeitung besser sein als das Original, betont Richard Dünser. Das sei zwar eine vermessene Behauptung, „allerdings ist eine Bearbeitung, die schwächer ist als das Original, zum Scheitern bzw. zur Nicht-Existenz verurteilt.“

Alban Berg
Klaviersonate, op. 1 für Klavier

Zeitgleich mit Arnold Schönberg arbeitete auch Alban Berg (1885 – 1935) an einem Werk, in dem die Funktionsharmonik bis an ihre Grenze ausgereizt wird. Alban Berg kam aus der gleichen kulturell-musikalischen Umgebung wie sein Lehrer Arnold Schönberg, und doch fand er bereits in seinen frühen Kompositionen seine individuelle musikalische Ausdrucksweise.

Harmonisch wurde Alban Berg wesentlich von Richard Wagners Tonartendenken geleitet. Die erste Sonate hat zwar noch ein tonales Zentrum, doch durch viele chromatische Durchgänge und leittönige Spannungen, zahlreiche Codierungen mit Tonbuchstaben sowie symmetrischen Formen organisierte er die musikalischen Verläufe mit eigenen strukturierenden Ideen. Bei der Uraufführung der Klaviersonate, op. 1 gab es stürmische Proteste, denn vor allem die Gattung der Sonate wurde in der Wiener Tradition hochgehalten. Dementsprechend wurde die Art, in der Alban Berg mit der Sonatenhauptsatzform umging, scharf kritisiert. Alban Berg liebte die Mehrdeutigkeit und das Unentschiedene, so ergaben die vielschichtigen Zusammenklänge ein zur damaligen Zeit höchst ungewöhnliches Hörerlebnis.

Harmonisch frei, aber mit viel Emotion ist das Opus 1 geformt. Konsequent setzt Berg den musikalischen Verlauf in einem vierstim-migen Satz, ständig verwandelt er die klingenden Motive. So entstehen unterschiedliche Tongruppen, die teilweise auch um Symmetrieachsen gespielt sind. Eine Kette von Kulminationspunkten bewirkt, dass der musikalische Fluss zielgerichtet nach vorne führt. Prozessartig wird ein Element unmittelbar in ein anderes übergeführt und zu einem dichten Geflecht aus ständig variierenden, organischen Entwicklungen verwoben. Spannung und Entspannung sowie die innewohnenden emotionalen Farben machen den Reiz beim Hören dieses Werkes aus.

Trotz seiner Reverenz an Schönbergs 1. Kammersymphonie finde Alban Berg bereits seinen eigenen Ton, die Stimmung, die Dramaturgie, lobt Richard Dünser. „Man ahnt schon den Wozzeck, auch Elemente des Spätwerks klingen an, so wie oft bei großen Meistern in der Nussschale früher Arbeiten schon eine Verbindung zum Kommenden vorhanden ist, ‚on revient toujours‘ (man kommt immer wieder zurück).“ Er habe versucht, das reiche Netz der motivischen Beziehungen, Entwicklungen und Kulminationen mit kammerorchestralen Farben zu beleuchten, um so vielleicht den Hörer:innen eines der schönsten Klavierwerke der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts nahe zu bringen.

Bearbeitet für das Kammerorchester
von Richard Dünser

Anton Webern
Vier Stücke für Geige und Klavier, op. 7

Anton Webern (1883 – 1945) wuchs in Wien, Graz und Klagenfurt auf. Er studierte zuerst bei Guido Adler Musikwissenschaft, ab 1904 nahm er Unterricht bei Arnold Schönberg, der sehr prägend wirkte. Er war fasziniert von Gustav Mahlers Symphonien. Das mag verwundern, weil Webern selbst ein Meister der kleinen Form und der Verknappung war. Die Reduktion auf das Wesentlichste verstand der Komponist jedoch nie als Kritik gegen die Monumentalität, sondern als besondere Gabe zur Konzentration und Verdichtung.

Nach einem nervenaufreibenden Ende seines Vertrages als Operetten-Kapellmeister in Teplitz zog sich Anton Webern 1910 auf den Preglhof in Kärnten zurück. Dort fand er Zeit und Ruhe seine „Vier Stücke für Geige und Klavier“, op. 7 zu komponieren. Musikalisch grundlegende Ideen legte Anton Webern bereits in den motivischen Keimzellen seiner Werke fest. So wirken seine Kompositionen mehrschichtig und stellen vieldeutige Prozesse dar. Im ersten Teil der „Vier Stücke“ ist die Klangfarbe der Violine als Thema eingesetzt, ein leiser, drei Takte lang gehaltener, an- und abschwellender Flageolett-Ton dient als Ausgangidee.

Anton Webern war bemüht, seine Mittel auf das Notwendige zu reduzieren und in aller Kürze das Wesentliche zum Ausdruck zu bringen. Diese Grundzüge trägt sein Opus 7 in mehrerlei Hinsicht in sich. Extreme, von kaum hörbaren Tönen bis zu kristallinen Ausbrüchen im Fortissimo, bilden die Palette für die dynamische Gestaltung. Auch in der Abfolge der Sätze zeigt sich die Freude an möglichst großen Kontrastwirkungen. Beim ersten Höreindruck wirken die „Vier Stücke“ spontan hingeschrieben, doch die Musik ist bis ins Detail minutiös durchgearbeitet. Eine große Farbigkeit in den unterschiedlichen Tonschichten zeichnet Weberns Musik aus. Wie in einem Kaleidoskop werden musikalische Affekte auf engstem Raum geformt. Große Tonsprünge, häufige Tempowechsel und abrupte Änderungen der Dynamik stellen enorme interpretatorische Ansprüche. Die langsamen Sätze stellen die Klangmöglichkeiten der Violine in den Vordergrund. Extrovertiert wirkt der zweite Satz, starke Kontraste strukturieren den dritten und vierten Abschnitt, der zum Schluss hin in ein Adagio mündet und verklingt. Wie Alban Berg verdichtete auch Anton Webern die Musik mit einer expressiven Chromatik und an Wagner angelehnten, mystischen Klängen. In seiner Arbeit habe er versucht, „diese geballte Mikroenergie durch instrumentale Farben zu bündeln, Kontraste und Strukturen hervorzuheben und der Solo-Violine, die in ihrer Virtuosität und Expressivität unverändert den Webernschen Originaltext wiedergibt und verschiedenste Arten des Geigenklanges auslotet, eine differenzierte Klangwelt gegenüberzustellen“, erklärt Richard Dünser.

Bearbeitet für das Kammerorchester
von Richard Dünser

Richard Dünser
Entreacte für Kammerorchester

Richard Dünsers Musik hat einen bedeutenden Anker in der Musik der zweiten Wiener Schule. Kompositionen von Berg, Schönberg und Webern würden eine Art von „Roots“ seiner musikalischen Sozialisation darstellen, sagt Richard Dünser. Gut kommen diese Eigenschaften in seinem Werk „Entreacte“ zur Geltung, das anlässlich eines Musiktheaterabends entstanden ist, bei dem Schönbergs „Buch der hängenden Gärten“ sowie das Monodram „Erwartung“ aufgeführt wurden. Als Zwischenaktmusik bildete „Entreacte“ eine Brücke, von einer Komposition kommend zur anderen hinleitend. Damit wollte Richard Dünser „einen Weg von der einen in die andere seelische und musikalische Landschaft“ schaffen. In diesem Sinn soll die Aufführung des Werkes auch im Rahmen dieses Meisterkonzertes zwischen dem Opus 11 und dem Opus 15 von Arnold Schönberg wirken. In einem dramaturgischen Bogen werden Tonbeziehungen ausgelotet und sodann mit aufbrausenden Gesten in energetisch aufgeladene, stark vorwärtsdrängende Tonfelder in dunklen Klangregistern geleitet. Reflektierende Passagen bilden Ruhepole aus. Deutlich klingt im Klangcharakter der Musik die Seelenverwandtschaft zur Musik von Alban Berg an. In Entreacte erinnerte sich Richard Dünser auch an seinen bereits im Jahr 1989 / 1990 komponierten Zyklus „Erinnerung – Monument – Nachtgesang“. Der zweite Teil „Monument“ ist in der Gemeinde Trahütten in der Weststeiermark gegenüber der ehemaligen Alban-Berg-Villa entstanden.

Arnold Schönberg
Drei Stücke, op. 11 für Klavier

Kurz vor dem „Buch der hängenden Gärten“ schuf Arnold Schönberg die „Drei Stücke“ für Klavier, op. 11, die ebenfalls in die Kompositionsgeschichte eingegangen sind. Mit ihnen vollzog der damals 34-jährige Komponist den wagemutigen Schritt von der Tonalität hin zu einer von dieser Struktur unabhängigen Ausdrucksform.

Landläufig hat sich hierfür der Begriff „Atonalität“ eingebürgert, der jedoch in mehrerlei Hinsicht problematisch und sogar falsch ist. Denn dieser Ausdruck meint ein Nichtvorhandensein einer Gesetzmäßigkeit und ist negativ behaftet. Schönberg kam aus der Tradition von Johannes Brahms und führte dessen musikalische Entwicklungslinien fort. Autodidaktisch hatte sich Arnold Schönberg das Spiel auf der Geige und dem Violoncello beigebracht. Eine Zeitlang hatte er Unterricht bei seinem Schwager Alexander von Zemlinsky. Das Unterrichten war die eigentliche Passion des stets wissbegierigen Musikers und Komponisten. Den Höhepunkt äußerer Anerkennung fand Schönberg in der Berufung an die Preußische Akademie der Künste in Berlin, wo er von 1926 – 1933 lehrte. 1936 emigrierte Schönberg nach Kalifornien und unterrichtete ab 1936 an der dortigen Universität. Die „Drei Stücke“ sind durch sehr angespannte Intervallverhältnisse und gegensätzliche dynamische Verläufe charakterisiert. Auf diese Weise wechseln sich melodisch eruptiv aufgeladene Passagen mit ruhigen Klangfeldern ab. Hauptwesensmerkmal der Musik sind die unterschiedlichen Klangfarben und deren „Temperaturen“.

Engmaschig verwebt Schönberg Motive miteinander und transformiert sie durch unterschiedliche Artikulationen und rhythmische Strukturen. Langsam und düster ist das zweite Stück über einem immer wiederkehrenden Bassmotiv angelegt. Expressiv aufgeladen wirken die aufstrebenden Gesten im dritten Satz, der in aller Kürze eine große Ausdruckspalette offenbart. „Jeder Akkord entspricht einem Zwang […] meines Ausdrucksbedürfnisses, vielleicht aber auch dem Zwang einer unerbittlichen, aber unbewußten Logik in der harmonischen Konstruktion“, schrieb Arnold Schönberg in seinem 1911 erschienen Buch „Harmonielehre“ über dieses Werk.

Vor allem das Opus 11 lässt sich mit dem Abstraktionsvorgang vergleichen, wie ihn Wassily Kandinsky in der Malerei vollzogen hat. Aus einem großen individuellen Ausdruckswillen heraus beschrieb dieser mit Farben, was Schönberg mit Tönen formte. In einem ausgetüftelt proportionierten Gefüge erklingen dichte und lockere, laute und leise, rasche und langsame, gewichtige und leichtfüßige Passagen. Zusammen gehalten werden die Töne, Tonballungen und Zusammenklänge durch Motivverkettungen und melodisch entwickelte Variationen. Ferruccio Busoni hat Arnold Schönbergs Musik wohl nicht ganz ernst genommen, denn vor einer Aufführung wollte er an den „Drei Stücken“ Retuschen vornehmen. Selbstverständlich war Arnold Schönberg nicht einverstanden damit und er entgegnete dem Pianisten: „Ich glaube, mein Klaviersatz ist nicht das Ergebnis eines Unvermögens, sondern der Ausdruck eines festen Willens.“ Ihn habe es gereizt, seine instrumentatorische Virtuosität aufzubieten, um diese Stücke in die Klanglichkeit eines farbigen Ensembles zu übersetzen und gleichzeitig deren Architektur und Dramaturgie zu unterstreichen, schreibt Richard Dünser über seine Motivation, Schönbergs „Drei Stücke“ für Kammerorchester zu bearbeiten.

Bearbeitet für das Kammerorchester
von Richard Dünser

Arnold Schönberg, 15 Gedichte aus „Das Buch der hängenden Gärten“ von Stefan George, op. 15

Der deutsche Dichter Stefan George veröffentlichte 1895 die Gedichtsammlung „Bücher der Hirten- und Preisgedichte, der Sagen und Sänger und der hängenden Gärten“. Die Gedichte der hängenden Gärten, im dritten Teil des Kompendiums sind verschlüsselte Liebesgedichte, angesiedelt im orientalischen Flair eines blühenden Gartens. Als naiver Jugendlicher betritt ein Prinz diesen Garten und findet dort die Erfüllung seiner Sehnsucht mit seiner Geliebten. Als ihn diese verlässt, zerfällt auch der Garten.

Arnold Schönberg war fasziniert vom Ausdruck der Gedichte. Im Programmheft anlässlich der Uraufführung seiner Komposition für Singstimme und Klavier in Wien berichtet der Komponist am 14. Jänner 1910: „Mit den George-Lieder ist es mir zum erstenmal gelungen, einem Ausdrucks- und Formideal nahezukommen, das mir seit Jahren vorschwebt. Es zu verwirklichen, gebrach es mir bis dahin an Kraft und Sicherheit. Nun ich aber diese Bahn endgiltig [sic] betreten habe, bin ich mir bewußt, alle Schranken einer vergangenen Ästhetik durchbrochen zu haben.[…] nicht Mangel an Erfindung oder an technischem Können, oder an Wissen um die anderen Forderungen jener landläufigen Ästhetik [drängen] mich in diese Richtung […], sondern, daß ich einem innern Zwange folge, der stärker ist, als Erziehung; daß ich jener Bildung gehorche, die als meine natürliche mächtiger ist, als meine künstlerische Vorbildung.“ Nicht den erzählenden Leitfaden der Gedichte nahm Arnold Schönberg in seinem Werk auf, sondern er stellte einen eigenen Ablauf zusammen und setzte einzelne Gedichte je nach Stimmung, Gedanken, Ausdruck und Atmosphäre in Musik. Jedes Lied wirkt wie ein Destillat der Textatmophäre und spiegelt jeweils eine bestimmte Idee wider.

Schönbergs Opus 15 markiert in zweierlei Hinsicht einen Kristallisationspunkt innerhalb der Kompositionsgeschichte. Erstmals nahm sich der Komponist die Freiheit für die „Emanzipation der Dissonanz“ heraus. Das bedeutet, dass nicht mehr ein tonales Zentrum vorherrscht und die Töne in Verwandtschaftsbeziehungen zueinander betrachtet werden, sondern alle Intervalle sind gleichwertig und gleichberechtigt. Der Zusammenklang der Töne ergibt sich daraus, welche Klangfarben musikalisch zur Wirkung gebracht werden sollen.

Die Motive und Themen werden durch ein Netz zusammengehalten, das Schönberg aus melodischen Linien in Form sich ständig entwickelnder Variationen webt. Die Form der „entwickelnden Variation“ hat Schönberg von Johannes Brahms übernommen. Schönbergs Lieder op. 15 würden ihm besonders nahestehen, merkt Richard Dünser an. Denn „diese Werke brechen in eine Freiheit auf, die völlig neu ist und lassen überkommene Form- und Klangkonzeptionen hinter sich, ohne die Verbindung zum Vorherigen völlig abzubrechen, das Frühere schimmert durch. Gleichzeitig ist diese Freiheit eine ganz fragile und jedes dieser Werke ist ein genial gelungener Ritt über den Bodensee, aber immer vom Absturz bedroht.“ Die Musikwissenschaftlerin Siglind Bruhn bietet in ihrem Buch „Schönbergs Musik 1899 – 1914“ (2015) eine detaillierte Analyse von Schönbergs Opus 15 und zeigt darin auf, wie der Komponist aus eng verflochtenen Tonbeziehungen vielschichtige und textdeutende musikalische Essenzen herauskristallisierte. „Diese fünfzehn Gedichte sind als Monologe des in Liebe entbrannten Mannes entworfen; die Stimme der Frau bleibt ungehört. Nachdem Feinde ihm während seiner Liebesentrückung die Hälfte seines Reiches geraubt haben, erkennt er resigniert, dass ihm das Streben nach Macht inzwischen nichts mehr bedeutet“, erklärt Bruhn.

Bearbeitet für die mittlere Stimme und das Kammerorchester
von Richard Dünser

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