18.45 Uhr Konzerteinführung im Saal Bodensee
19.30 Uhr Großer Saal
Das gesamte Jahresprogramm 2023/2024 können Sie hier digital ansehen.
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Ouvertüre zu „Egmont“ in c-Moll, op. 84
Mieczysław Weinberg (1919 –1996)
Konzert für Violoncello und Orchester, op. 43
Sergei Wassiljewitsch Rachmaninov (1873 –1943)
Sinfonie Nr. 2 in e-Moll, op. 27
Das Royal Philharmonic Orchestra spannt mit Kompositionen von Ludwig van Beethoven, Mieczysław Weinberg und Sergej Rachmaninov einen inhaltsreichen Bogen über drei unterschiedliche kompositorische Gattungen. Im Rahmen einer Ouvertüre, eines Cellokonzerts und einer Sinfonie werden brisante gesellschaftspolitische Inhalte nachgezeichnet, die leider nichts von ihrer Aktualität verloren haben. Fremdherrschaft und Unterdrückung sowie der Wille nach Freiheit und Selbstbestimmtheit werden musikalisch in Szene gesetzt. Flucht und Emigration bestimmen den musikalischen Ausdrucksgehalt der Kompositionen von Weinberg und Rachmaninov. Überdies kommen das von Unsicherheit geprägte innere Ringen um persönliche Entfaltung und dessen individuelle Bewältigung in Rachmaninovs Sinfonie mutmachend zur Geltung.
Ludwig van Beethoven
Egmont, Schauspielmusik, op. 84, Ouvertüre
Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) war ein glühender Verehrer von Johann Wolfgang von Goethe. Eigentlich wollte er, als er den Auftrag des Wiener Burgtheaters für die Schauspielmusik zum Trauerspiel „Egmont“ erhielt, Schiller vertonen. Doch der gesellschaftspolitische Inhalt des Bühnenwerkes, in dem der Konflikt zwischen dem Grafen Egmont aus Flandern und dem spanischen Herzog Alba abgehandelt wird, sprach den jungen Komponisten an.
Politische Inhalte, Konflikte zwischen ungleichen Mächten, Fremdbestimmung und der unbedingte Wille nach Freiheit und Selbstbestimmung regten Beethoven persönlich auf und seine Fantasie an. Er leistete durch seine Musik in mehreren seiner Werke aktiven Widerstand, nicht nur „Egmont“, sondern auch die Oper „Fidelio“, die Schauspielmusik zum Drama „Coriolan“ oder das Ballett „Geschöpfe des Prometheus“ stehen im Zeichen dieser Überzeugungen.
Während die gesamte Schauspielmusik zu Goethes „Egmont“ wenig im Konzertsaal zu hören ist, ist die Ouvertüre fix im Repertoire vieler Orchester verankert. Anlässlich einer Aufführung des 1809 entstandenen Werkes schwärmte der Dichter und Musiker E.T. A. Hoffmann: „Jeder Ton, den der Dichter anschlug, klang in seinem [Beethovens] Gemüte wie auf gleichgestimmter, mitvibrierender Saite wider.“ Beethovens Musik ist weit mehr als eine Illustration des Trauerspiels. Vielmehr ist es eine Interpretation der geschilderten Ereignisse. In der Ouvertüre werden die Wesenszüge des Helden Egmont charakterisiert. Sein aussichtloser Kampf gegen die Übermacht klingt in der langsamen Einleitung an. Der musikalische Duktus erinnert an eine Sarabande, ein ursprünglich aus Spanien stammenden Tanz. Schwere Streicherakkorde stellen die Bürde dar, die die niederländische Bevölkerung zu tragen hat. Eine hektische Betriebsamkeit mit zugleich bestimmender Aussage deutet einesteils die Handlungen des Helden und andernteils seine Liebe zum Bürgermädchen Klärchen aus. Immer wieder brechen die einleitend erklungenen schweren Akkorde ein und erinnern an die unterschwellige Bedrohung. Seinen Freiheitskampf bezahlt Egmont mit seinem Leben, er wird hingerichtet. „Der Tod Egmonts könnte durch eine Pause angedeutet werden“, schrieb Beethoven in den Skizzen zum Werk. Danach hebt eine Siegessinfonie für den Freiheitshelden an.
Mieczysław Weinberg
Konzert für Violoncello und Orchester c-Moll
Der Name Mieczysław Weinberg (1919 – 1996) ist hierzulande vielen Kulturinteressierten seit dem Jahr 2010 ein Begriff. Damals inszenierte David Pountney Weinbergs Oper „Die Passagierin“ und verhalf damit dem aus Warschau stammenden Komponisten zu internationaler Anerkennung. Weinbergs Jugendjahre waren geprägt von Fluchterlebnissen, denn 1939 musste er aus Warschau fliehen. Er ließ sich in Minsk nieder und konnte sich von dort 1941 in letzter Minute nach Usbekistan retten. Seine Familie wurde ermordet, doch Weinberg fand durch die Hilfe von Dmitri Schostakowitsch in Moskau eine neue Heimat. Aber auch dort war er wie sein Mentor Repressalien der Machthaber ausgesetzt. Vorübergehend wurde der Komponist sogar inhaftiert, diese Erfahrungen hinterließen bleibende Spuren.
Die Musik von Mieczysław Weinberg ist geprägt von Schostakowitschs musikalischer Sprache. Doch Weinbergs Sozialisation in der jüdischen Tradition und in der Unterhaltungsmusik sowie seine polnischen Wurzeln bestimmen seinen Kompositionsstil ebenso wesentlich. Sein heterogener musikalischer Ausdruck ist überdies geprägt von Zitaten sowie einer changierenden Harmonik, die sehr weit gefasst und teilweise von einem tonalen Zentrum losgelöst ist. Weinberg hat zahlreiche Werke hinterlassen, unter anderem 8 Opern, 22 Sinfonien und 14 Streichquartette. Überdies komponierte er viel Film- und Zirkusmusik, um finanziell über die Runden zu kommen.
Das Cellokonzert op. 43 entstand Ende der 1940er Jahre. Doch erst 1957 kam es mit dem Solisten Mstislaw Rostropowitsch in Moskau zur Uraufführung. Zuvor hatte Weinberg ein Concertino für Cello und Kammerorchester komponiert, das quasi den Ausgangspunkt für das nachfolgende Cellokonzert darstellt. Aus der Schublade holte der Komponist sein Werk erst, als er im Rahmen eines musikalischen Abends im privaten Kreis, bei dem auch Mstislaw Rostropowitsch dabei war, darum gebeten wurde. Sogleich wurden Pläne für die Uraufführung geschmiedet. Seither ist das Cellokonzert eines der meistaufgeführten Werke des Komponisten.
Ein jüdisches Idiom zeichnet fast alle Kompositionen von Weinberg aus. Auch das Cellokonzert wird von einer melancholischen, aber nicht hoffnungslosen Stimmung getragen. Vor allem in die Blasinstrumente sind Anklänge an Klezmermusik gelegt, die dem Werk eine besondere Farbe verleihen. Eine spannungsgeladene Lyrik entfaltet sich im Eröffnungssatz. Wehmütig wirkt die Einleitung im Moderato, wenn sich eine Habanera entfaltet und viel Emotion verströmt. Zentral ist der dritte Satz, in dem populäre, volksmusikalische Themen erklingen und aufeinanderprallen. Ein kraftvolles Rondo zeichnet das Finale aus, bis sich schließlich der Kreis mit einem sinnlichen Adagio schließt.
Sergej Rachmaninow,
Sinfonie Nr. 2 e-Moll, op. 27
Sergej Rachmaninow (1873 –1 943) hat ein reiches Oeuvre mit virtuosen Klavier- und Orchesterwerken hinterlassen. Gemeinhin wird seine Musik als „spätromantisch“ qualifiziert und in einen Gegensatz zum Kompositionsstil von Alexander Skrjabin oder Igor Strawinsky gestellt. Besonders hervorgehoben wird die „russische Seele“, die seinen symphonischen Werken innewohnt. Schon in seinen Jugendjahren lernte Rachmaninow Peter I. Tschaikowsky kennen, der ihm ein großes Vorbild war.
Sein ganzes Leben lang war der als Pianist und Dirigent hoch geschätzte, aber als Komponist wenig bekannte Künstler auf der Suche nach einem Vaterersatz, denn sein eigener Vater war ein Spieler und tauchte unter. So verlor die im zaristischen Russland ursprünglich wohlhabende Familie ihren Landsitz. Das Talent des Kindes wurde zwar erkannt, allerdings war eine Offizierslaufbahn vorgesehen. Doch die vorbestimmten Pläne schlugen fehl und schließlich trat Sergej Rachmaninow ins Moskauer Konservatorium ein und beendete dieses mit großem Erfolg.
Sergej Rachmaninow erlebte zahlreiche Höhen und Tiefen. Von Natur aus und seit seiner Jugend neigte er zu Depressionen, jede Kritik oder ablehnende Haltung stürzte ihn in tiefe künstlerische Schaffenskrisen. Hilfe fand er beim legendären Psychiater Nikolai Dahl und dessen Hypnosetherapie. Nach mehreren Stationen in Europa ließ sich Sergej Rachmaninow 1935 in Beverly Hills in Kalifornien nieder. Dort konnte er als anerkannter Künstler und gefeierter Pianist ein gutes Leben führen.
Die zweite Sinfonie von Sergej Rachmaninow ist ein Paradebeispiel für typisch „russisches“ Idiom, denn sie strahlt Weite aus. Lange fließende, auf- und abschwellende musikalische Klangfelder und Melodien werden von einer mitschwingenden Melancholie durchzogen. Anklänge an Volkslieder verleihen der Musik eine große emotionale Kraft. Die Klangfarbenpracht bringt die große Instrumentationskunst des Komponisten zur Geltung. Doch sie ist nie Selbstzweck, sondern beruht auf einer bis ins Detail ausgeklügelten kompositorischen Sprache, die mit vielen Querverweisen und motivischen Klammern eine große innere Stabilität und Stringenz aufweist.
Von Rachmaninows zweiter Sinfonie ist fast nie die Rede, ohne seine erste zu erwähnen. Im März 1879 wurde diese mit dem betrunkenen Alexander Glazunow am Pult uraufgeführt. Das Werk fiel durch und wurde heftigst kritisiert. Den Misserfolg nahm der sensible, selbstzweifelnde Sergej Rachmaninow sehr ernst, er war am Boden zerstört. Es dauerte zwölf Jahre, bis Rachmaninow sich wieder an die Komposition einer Sinfonie wagte.
Die politischen Wirren der russischen Revolution zwangen den Komponisten mitsamt seiner Familie ins Exil. In den Jahren 1906 / 07 wohnte die Familie in einer „Gartenvilla“ in Dresden. Die Ruhe und Abgeschiedenheit wirkte als guter Nährboden für ein groß angelegtes symphonisches Werk. Eigentlich sollte die Sinfonie fern ab der Öffentlichkeit entstehen, doch ein Freund verriet die Arbeitspläne und so erhielt der Komponist noch vor der Fertigstellung einige Angebote, das Werk zur Uraufführung zu bringen. Doch Rachmaninow zögerte und war sich unsicher. Die Uraufführung 1908 in St. Petersburg wurde stürmisch gefeiert und war ein riesiger Erfolg.
Die zweite Sinfonie beginnt mit einer langsamen Einleitung. Sie enthält die musikalischen Wesenskerne der gesamten Sinfonie. In den tiefen Streichern wird das Hauptthema präsentiert, die antwortenden Bläser und die anschließende Tongirlande in den Violinen bilden weitere Ausgangsmaterialien für ein dichtes Klanggewebe, das mit zahlreichen Fugati eine große Klangwirkung entfaltet.
Alle vier Sätze der Sinfonie sind motivisch miteinander verbunden. Stürmisch und rhythmisch markant drängt das Allegro molto im zweiten Satz ständig nach vorne. Das Hauptthema wird aus Motiven des „Dies Irae“, dem Choral aus der Totenmesse, gebildet. Glockenspiel und perkussive Streicherpassagen verleihen der Musik einen aufgekratzten Duktus. Besonders im berühmten episch-romantischen dritten Satz, mit der Kantilene in der Klarinette steuert die Musik auf einen emotionalen Gipfelpunkt zu. In weit ausladenden Bögen verwandelt sich die Nervosität in Hoffnung und Zuversicht. Kontrastreich endet die monumentale Sinfonie mit einem schnellen Marsch, zudem erklingen Themen der vorangegangenen Sätze an. Dabei gewinnt die Musik immer mehr an Strahlkraft, so dass das Licht am Ende des Tunnels eindrücklich leuchtet.