Kammerakademie Potsdam
6. November 2023

Kammerakademie Potsdam

18.45 Uhr Konzerteinführung im Saal Bodensee
19.30 Uhr Großer Saal

Das gesamte Jahresprogramm 2023/2024 können Sie hier digital ansehen.

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 –1847)
Ouvertüre zu „Ein Sommernachtstraum“, op. 21

Hector Berlioz (1803 –1869)
Les Nuits d’Été, op. 7

Ludwig van Beethoven (1770 –1827)
Sinfonie Nr. 4 in B-Dur, op. 60

Felix Mendelssohn Bartholdy
Ouvertüre zu „Ein Sommernachtstraum“, op. 21

Eine Sommernacht in Berlin des Jahres 1826.
Die Familie Mendelssohn bewohnt ein Palais in der Leipzigerstraße in Berlin. Es ist ein gastliches Haus, in dem die geistige Elite Berlins verkehrt, und in dessen Gartensalon, der Platz für mehrere hundert Personen bietet, regelmäßig Konzerte stattfinden. In dieser Atmosphäre wachsen Felix Mendelssohn, seine Schwestern Fanny und Rebecka sowie sein Bruder Paul auf. Sie erhalten die allerbeste Erziehung, besonders wird das musikalische Talent von Felix wie auch seiner älteren Schwester Fanny gefördert. Felix ist ein Wunderkind, er erregt als neunjähriger Pianist das Entzücken von Goethe. Als Jugendlicher lernt er Shakespeare kennen, und zwar in der romantisierenden Übersetzung von August Wilhelm Schlegel, einem Verwandten der Familie. Besonders der „Sommernachtstraum“ hat es ihm angetan. Er liest ihn mit Freunden zusammen in verteilten Rollen. Bald reift der Entschluss der Vertonung, und im August 1826 war die Ouvertüre fertig komponiert. Dem Siebzehnjährigen gelang damit ein Geniewurf. Es sollte aber noch eineinhalb Jahrzehnte dauern, bis Felix Mendelssohn – er hat aufgrund seiner Konversion vom Judentum zum lutherischen Bekenntnis den Namen Bartholdy hinzugenommen – die komplette Schauspielmusik zu Shakespeares „Sommernachtstraum“ schreibt. Das geschieht im Auftrag von niemand geringerem als dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV, für eine Aufführung im Neuen Potsdamer Palais.

Betrachten wir die Ouvertüre genauer! Sie beginnt mit vier Bläserakkorden, die wie ein Vorhang den Blick auf eine magische Welt freigeben. Es ist die Welt des Feenkönigs Oberon und seiner Frau Titania, die sich uns im zart-flirrenden Elfenreigen und dem festlichen Thema Oberons zeigt. Wir hören aber auch die bewusst falschen Bässe, die die hereinbrechenden Rüpel charakterisieren, und mit einem fallenden Non-Intervall vernehmen wir den Eselsruf des Webers Zettel. Mit den magischen Akkorden und dem Elfenthema endet die Ouvertüre auch. Trotz der literaturbezogenen Melodien schreibt Mendelssohn keine Programmmusik, sondern er behält bei dieser Ouvertüre eine klare musikalische Struktur bei, die in etwa der Sonatenhauptsatzform folgt.

Hector Berlioz
Les Nuits d’Été, op. 7

Sommernächte in Paris
Wann genau Hector Berlioz seine Lieder mit dem Titel „Les nuits d’été“ schrieb, ist nicht überliefert. Weder werden sie in einem der Briefe des Komponisten erwähnt, noch gibt es Zeugnisse von Zeitgenossen. Fest steht, dass er sie nicht von vornherein als Zyklus komponiert hat, und er hat sie zuerst auch mit einer Singstimme und dem Klavier besetzt. Erst Jahre später hat Berlioz sie für ein Kammerorchester instrumentiert und sie, meist einzeln, aufgeführt. Vor allem geschah das auf seinen Konzerttourneen in Deutschland, die übrigens für ihn sehr erfolgreich waren.

Die Texte der „Sommernächte“ übernahm Berlioz aus dem umfangreichen Gedichtband „La comédie de la mort“ von Theophile Gautier. Der exzentrische Dichter, der gerne provozierte und mit Drogen experimentierte, war der Nachbar und Freund von Hector Berlioz. Der Titel „Les nuits d’été“ stammt von Berlioz selbst. Er wählte ihn in Anlehnung an Shakespeares „Sommernachtstraum“. Denn Berlioz war ein glühender Verehrer des englischen Dramatikers, wovon auch sein groß angelegtes, oratorienähnliches Werk „Roméo et Juliette“ zeugt. In den sechs Gedichten des Zyklus geht es vor allem um Liebe, von ihrem fröhlich-verspielten Beginn und ihrer schwärmerisch-leidenschaftlichen Intimität über den Tod der Geliebten, die darauf folgende lang anhal-tende Trauer bis hin zur Bereitschaft, sich auf eine neue Liebe einzulassen. Aber auch diese neue Liebe kann nicht von Dauer sein, wie das Lied „L’îsle inconnue“ (Barcarolle) suggeriert. Vieles bleibt offen. Die immer wieder erwähnte Natur kann kaum Trost spenden und auch keine wie immer geartete höhere Daseinsform.

Heute werden die sechs Lieder stets zyklisch aufgeführt, meist mit einem Sopran oder auch einem Mezzosopran. Seltener hört man sie mit einem Tenor.

Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 4 in B-Dur, op. 60

Und noch ein Sommer, nun in Wien
„Eine griechisch schlanke Maid zwischen zwei Nordlandriesen“, so bezeichnete Robert Schumann die Vierte von Beethoven. Mit den Nordlandriesen meinte er die Dritte Sinfonie Beethovens, die „Eroica“, und die Fünfte, die „Schicksalssymphonie“. Fast scheint es, dass Beethoven sich nach der so neuartigen und bedeutungsvollen „Dritten“ mit der „Vierten“ erholen wollte. Und nicht nur auf musikalische Art entspannte sich Beethoven, denn er erlebte zu Therese und Josephine Brunsvik eine nahe Beziehung, die ihn, zumindest zu dieser Zeit, überwiegend glücklich machte. Zudem atmete ganz Wien in diesem Sommer des Jahres 1806 auf, denn Napoleons Truppen waren abgezogen, leider nur fürs Erste. So schrieb Beethoven seine Vierte Sinfonie im Spätsommer und Herbst dieses Jahres in einem Zug nieder.

Es ist jedoch Vorsicht angebracht, musikalische Stimmungen in direktem Bezug zur aktuellen Lebenssituation eines Komponisten zu setzen, zu viele Beispiele sprechen dagegen. Betrachten wir lieber die Sinfonie selbst. Da fällt zuerst einmal die Tonart auf. B-Dur bedeute „heitere Liebe, gutes Gewissen, Hoffnung, Hinsehnen nach einer besseren Welt“, schreibt Christian Friedrich Daniel Schubart, ein Zeitgenosse Beethovens und übrigens der Textdichter des Schubert-Lieds „Die Forelle“. Diese Beschreibung entspricht genau dem Charakter dieser Sinfonie, die, verglichen mit anderen Werken Beethovens, gern einmal konventionell genannt wird.

Doch was ist bei Beethoven schon Konvention? Wohl kaum die dunkel aufsteigende Einleitung zum ersten Satz und auch nicht das zweifache Erscheinen des Trios im Scherzo – eine Besonderheit, die Beethoven in seiner „Siebten“ wiederholt. Unverwechselbar sind aber vor allem die Einbrüche des lebhaften, ja zuweilen fast motorischen musikalischen Geschehens, wo es, wie in der Durchführung des ersten Satzes, der Anläufe mehrerer Instrumente bedarf, um es wieder in die Gänge zu bringen. Oder wo im zweiten Satz nach einer eher harschen Passage unvermutet sich die zwei Violinen traumverloren umeinanderschlingen und das ganze Orchester dabei verstummt. Immer wieder ist die Frage aufgetaucht, was Beethoven wohl bewogen hat, so und nicht anders zu schreiben. Die Deutungen sind zahllos: Sehr überzeugend sind die Forschungen von Arnold Schering, der nachweisen konnte, dass Beethoven sich für seine Werke von Literatur inspirieren ließ. Im Falle der Vierten Sinfonie wären das Gedichte von Friedrich Schiller, und demnach wären diese beiden Violinen zwei Boote, die auf dem Wasser schaukeln. Und nach Schering lägen dem letzten Satz der Vierten folgende Zeilen Schillers zugrunde, die einem fast an Beethovens „Neunte“ denken lassen: „Unter demselben Blau, über dem nehmlichen Grün / Wandeln die nahen und wandeln vereint die fernen Geschlechter / Und die Sonne Homers, siehe! sie lächelt auch uns“. Auch wenn nicht alle Musikologen den Deutungen Scherings folgen wollen: schön sind diese Worte allemal.

Zum ersten Mal erklungen ist die Vierte Sinfonie Beethovens im März 1807 im Palais Lobkowitz in Wien, zusammen mit allen bis dahin komponierten Sinfonien Beethovens und einigen weiteren Werken, eine Programmfülle für ein einzelnes Konzert, wie sie für uns Heutige kaum vorstellbar ist. In den nachfolgenden Generationen schätzte man Beethovens „Vierte“ ganz besonders. Von Schumann lasen wir schon, und Felix Mendelssohn Bartholdy hat sie für sein Dirigentendebut in Leipzig gewählt, mit großem Erfolg.

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