Igor Levit – Klavier
19. März 2022

Igor Levit – Klavier

Konzerteinführung mit Bettina Barnay um 18.45 Uhr im Saal Bodensee
Konzertbeginn um 19.30 Uhr im Großen Saal

Das gesamte Jahresprogramm 2021/2022 können Sie hier digital ansehen.

 

Ronald Stevenson (1928 – 2015)
Passacaglia on DSCH

Pars prima
Sonata allegro
Waltz in rondo-form
Episode
Suite (Prelude, Sarabande, Jig, Sarabande, Minuet, Jig, Gavotte, Polonaise)
Pibroch (Lament for the Children)
Episode: arabesque
Nocturne

Pars altera
Reverie-Fantasie
Fanfare – Forebodings: Alarm – Glimpse of a War-Vision
Variations on „Peace, Bread & the Land” (1917)
Symphonic March
Episode
Fandango
Pedal-point: „To emergent Africa”
Central Episode: études
Variations in C minor

Pars Tertia
Adagio: tribute to Bach
Triple Fugue over ground-bass:
Subj. I: andamento
Subj. II: B A C H
Subj. III: Dies Irae

Final variations on theme derived from ground
(adagissimo barocco)

 

Der Komponist und Pianist Ronald Stevenson (1928-2015) hat mit seiner Passacaglia ein Jahrhundertwerk komponiert, doch international bekannt ist der schottische Künstler deshalb keineswegs. Das 20. Jahrhundert prägte der vielfach tätige Musiker vor allem als Pianist, als Experte für die Musik von Ferruccio Busoni und als „Entdecker“ und Förderer der Werke des australischen Komponisten Percy Grainger. Ein Grund, warum die Kompositionen von Ronald Stevenson nicht weit verbreitet sind, liegt wohl in der Tatsache begründet, dass sein Kompositionsstil schwierig zu fassen ist.

Als sich Ronald Stevenson im Jahr 1962 an die Arbeit der Passacaglia machte, gelang ihm eher unbeabsichtigt sein „Opus Magnum“. Im 85-minütige Klavierwerk erklingen unterschiedliche Genres der Musikgeschichte und vielerlei musikalische Stilrichtungen. Ein wesentliches Qualitätsmerkmal besteht darin, dass Ronald Stevenson mit seiner Passacaglia auch einen gesellschaftspolitischen Anspruch erfüllt.

Mit dem Verweis, dass sein Kollege Dmitri Schostakowitsch sein Leben lang unter den Repressalien der sowjetischen Machthaber gelitten hat und massiv eingeschränkt war, widmete ihm Stevenson das Werk. Die Initialen von Dmitri Schostakowitsch, das sind die Töne D-Es-C-H bilden das musikalische Grundmaterial.

Ronald Stevenson beschrieb seine musikalische Grundidee in Analogie zu einem Menschenleben. „Betrachten Sie das Werk als eine Landkarte in der Musik. Das Terrain: eine Lebensspanne. Der Maßstab: eine Minute entspricht einem Jahr. Die Dauer: achtzig Minuten. Es gibt einen physischen Höhepunkt nach fünfunddreißig Minuten, wie es ihn im Leben mit etwa fünfunddreißig Jahren gibt. Der endgültige Höhepunkt ist psychisch, nicht physisch: psychisch im griechischen Sinne – des Geistes, nicht des Körpers.“

Zunächst werden die Zuhörenden mit Tänzen in die barocke Formenwelt einer Suite geführt. Im zweiten Abschnitt wird Ronald Stevenson, der aus einer Landarbeiterfamilie stammt, politisch. Ein auf einem Kinderlied beruhendes Lamento erinnert an „all die kindlichen Opfer des Nationalsozialismus“. Auf das Apartheitsregime in Südafrika verweist eine perkussiv gestaltete Passage. Mit aufbrausend wüsten Clustern stellt Ronalds Stevenson kriegerische Auseinandersetzungen dar und illustriert diese mit grollend tiefen Pedaltönen sowie teilweise im Korpus gespielten Passagen. Doch dann kehrt mit einem symphonischen Marsch und einem Fantango ein konstruktiver Geist ein. Im dritten Abschnitt der Passacaglia zollt der Komponist Johann Sebastian Bach Tribut, indem er das berühmte B-A-C-H Motiv äußerst kunstvoll in mehreren Fugen verarbeitet und in Beziehung zum Ausgangsmotiv D-Es-C-H stellt.

Tonal changiert die Coda unbestimmt zwischen Dur und Moll und suggeriert damit einen offenen Schluss. Damit überlässt es der Komponist den Zuhörenden, in welcher emotionalen Grundstimmung sie das Werk enden lassen wollen.

Text: Dr. Silvia Thurner

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